Zeitzeichen

Die Siebziger, sie starten gut. Es ist die Zeit der Schlaghosen, des Disco sounds und eines neuen Freiheitsgefühls. Es herrscht Aufbruchstimmung, auch in der Schweiz. An der Urne gesteht die eine Hälfte der Bevölkerung der anderen das Wahl- und Stimmrecht zu. Die Wirtschaft läuft rund: Die Geburtsstunde von Vebego steht unter guten Vorzeichen.

Mehmet Ali Elmas
Spitalreiniger, bei Vebego seit 2016

ES WIRD GEBAUT IN DER SCHWEIZ

Am Gotthard fällt 1970 der Startschuss für den Bau des Strassentunnels – dem letzten, fehlenden Autobahnstück, das das Tessin mit dem Norden verbinden wird. Im Aargauischen Spreitenbach öffnet das erste Shoppingcenter des Landes seine Tore. Ein Hauch amerikanischen Einkauffeelings verbreitet sich.

BRAHMSSTRASSE 76, ZÜRICH

Die Bauausgaben steigen in den ersten Jahren des Jahrzehnts auf über 19 Prozent des inländischen Bruttosozialprodukts. Ein Niveau, das bei weitem nie mehr erreicht werden sollte. Noch aber stehen die Zeichen gut. Büroflächen um Büroflächen entstehen. Erstmals überflügelt der Dienstleistungssektor den Landwirtschafts- und Industriesektor. Kurt Amberg und Beat Hospach erkennen die Zeichen der Zeit und verschreiben sich der professionellen Reinigung von Gebäuden, Fassaden und Büros. 1972 gründen die beiden Männer die Amberg Hospach AG an der Brahmsstrasse in Zürich. Es ist die Geburtsstunde von Vebego in der Schweiz. Den beiden ist von Anfang an klar, dass sie als frischgebackene Reinigungsunternehmer den Blick auf die Uhr getrost vergessen können. Es gilt, jederzeit und überall zuzupacken. Sieben Jahre später wird Amberg Hospach Teil der Vebego-Family werden.

WELTWIRTSCHAFT TAUMELT

Die kleine Amberg Hospach startet gut, gewinnt Auftrag um Auftrag, aber so richtig rechnen will sich das Geschäft noch nicht. Und über der Welt ziehen dunkle Wolken auf. In Nahost kommt es am 6. Oktober 1973 zum Krieg. Ägypten und Syrien greifen Israel an. Die junge Nation schlägt mit Erfolg zurück. In der Folge drosseln die antiwestlichen Ölstaaten die Erdölproduktion und verhängen ein Embargo. Der Preisfür Erdöl steigt an nur einem Tag um 70 Prozent. Es kommt zu Engpässen. Das trifft den Lebensnerv der Industriestaaten. Die Weltwirtschaft schlittert in die erste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch die Schweiz bleibt nicht verschont. Zwischen 1973 und 1977 bauen Schweizer Firmen 340’000 Stellen ab. An drei Sonntagen in Folge stehen die Autos still, um Sprit zu sparen. Das Jahrzehnt, das so hoffnungsvoll begonnen hat, erlebt Wirtschaftskrise, Watergate, Terror in Deutschlandund endet im Zuge der islamischen Revolution im Iran erneut mit einem Erdölpreisschock.

DERWEIL IN HOLLAND

Die schwierigen Umstände können Vebego International, in den Siebzigern noch als Hago unterwegs, kaum etwas anhaben. Das Familienunternehmen liefert eine bemerkenswerte Leistung ab und wächst rasant. Während des Zweiten Weltkriegs gegründet, lernt es früh, eine tragfähige Verkaufsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Ende der 1970er Jahre beginnt Vebego International die Flügel über die Grenzen hinaus auszuweiten. Die Schweiz ist attraktiv und keine Unbekannte. Seit Jahren arbeitet Vebego International mit der Schweizer Wetrok zusammen, die Maschinen und Geräte für die Reinigungsbranche herstellt und später als eine der wenigen der Zeit auch Dienstleistungen anbietet.

VEBEGO NIMMT AMBERG HOSPACH UNTER DIE FITTICHE

«Wenn man auf der Suche nach dem Besten vom Besten ist, landet man automatischin der Schweiz.» Dieses Zitat stammt von keinem Geringeren als von Tonny Goedmakers selbst, Gründer von Vebego International. Er beginnt, den Schweizer Markt nach geeigneten Akteur*innen zu durchleuchten. Gut positioniert soll das Unternehmen sein, wachstumsstark und über einen ausgezeichneten Ruf verfügen. Willi Kessi, Marketingchef von Wetrok, weiss die Antwort: Amberg Hospach. Zwar istder Umsatz mit 600'000 Franken bescheiden und das Unternehmen hat finanziell zu kämpfen, aber der Name ist in der Region gut verankert, die Reputation tadellos. Passt. Willi Kessi bringt die beiden Parteien zusammen und fädelt den Deal ein. 1979 wird Amberg Hospach Teil der Vebego-Family. /



«Willi Kessel — übernehmen bitte!»

Im Februar 1989 erreicht Willi Kessi ein unerwarteter Anruf. «Willi, du musst uns helfen!». Er hilft. Beat Hospach ist überraschend verstorben. Nach 25 Jahren Wetrok verlässt Willi Kessi das Unternehmen und übernimmt das Ruder bei Vebego in der Schweiz – und das mit 60 Jahren.

Vebego ist mit seinen Reinigungsaktivitäten seit ihren Anfängen 1972 stark gewachsen, von 600'000 Franken auf 14 Mio. Franken Umsatz im Jahr 1989. Aber es hapert mit der Profitabilität. Auch der Bankkredit über 1,5 Mio. Franken gefällt nicht und wird nach nur einem Jahr zurückbezahlt. «Das war der erste und letzte Bankkredit», sagt Willi Kessi später. Auf Ende 1994 zieht er sich vom Chefposten in den Verwaltungsrat zurück und übergibt das Zepter einem vertrauten Weggefährten: Peter Lehmann. Dieser übernimmt Vebego in Topform. Der Umsatz hat sich mehr als verdoppelt – und Vebego schreibt Gewinn. Damit ist das Ende der Fahnenstange aber längst nicht erreicht. 

Vaterfigur

«Willi hatten einfach alle gern und er liebte die Menschen. Er war eine Vaterfigur, hatte immer ein offenes Ohr. War charmant, neugierig und offen.» So skizziert Jürg Brechbühl, langjähriger Verkaufschef von Vebego, Willi Kessi. Stets auf der Suche nach klugen Lösungen durchreist er bereits in den 1970er Jahren die USA. Die Amerikaner*innen sind weiter, was die Entwicklung von Maschinen, Geräten und Produkten für die Reinigung betrifft. Und über die Schulter anderer schauen schadet nicht, im Gegenteil. Immer wieder an seiner Seite: Tonny Goedmakers – Gründer von Vebego International. Was als Kundenbeziehung beginnt, mündete in eine lebenslange Freundschaft.

Aus ähnlichem Holz geschnitzt, teilen sie die Firmenphilosophie: Gewinnmaximierung ist nicht das Ziel, auch nicht die höchsten Löhne zahlen. Der Mensch gehört in den Mittelpunkt, ob Kundschaft oder Mitarbeitende. Seite an Seite arbeiten. Langfristigkeit. Anerkennung. Verlässlichkeit. Dem anderen etwas zutrauen. Spass haben. Lohngerechtigkeit. Ausreichend Zeit, um die Arbeit angemessen erledigen zukönnen. Nicht Wettbewerb um jeden Preis. Dann geht es auch dem Unternehmengut. Als Vorstand der Sektion Zürich des Branchenverbands Allpura sorgt Willi Kessi massgebend dafür, dass 2004 der Gesamtarbeitsvertrag nach jahrelangen Verhandlungen unter Dach und Fach gebracht werden kann. Ein Meilenstein für die Mitarbeitenden, das Unternehmen und für ihn ganz persönlich.

Nach seiner Pensionierung 2012 bleibt er Vebego und der Branche tief verbunden. Etwas anderes wäre auch gar nicht möglich gewesen. Zu sehr liebt er «seine» Vebego.Noch im Alter von 90 Jahren hat der gelernte Kaufmann jede Zahl im Kopf. Am4. Juli 2021 hört sein grosses Herz auf zu schlagen. /


Peter Lehmann – der Baumeister 

1990 folgt Peter Lehmann dem Ruf seines Weggefährten Willi Kessi. Er startet bei Amberg Hospach als Marketingchef, übernimmt 1994 den Führungsstab, während sich Willi Kessi auf das VR-Präsidium zurückzieht. Es ist Peter Lehmann der Vebego mehr und mehr vom Reinigungsunternehmen Richtung Facility Manager führt. Er ist ein Macher. Steckt die Ziele hoch, für sich und die anderen. Vom Shareholder-Value-Denken, das seit Mitte der 1980er Jahre auch in der Schweiz hoch im Kurs ist, hält er nicht viel. Dieser neue Typus von Manager*innen: Ihre Versprechen sind gross, der Zeithorizont klein. Für ihn und Vebego als Familienunternehmen gilt: Kund*innen halten, die Mitarbeitende fördern – das wird sich früher oder später in guten Zahlen niederschlagen. Das schafft Mehrwert. 2007 geht Peter Lehmann in den verdienten Ruhestand, nach 17 Jahren. Der Umsatz von Vebego hat sich in dieser Zeit verzehnfacht. /

Vielfalt und Inklusion
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